Halle/Brüssel am 4. November 2022
Die streitbare Praxis des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig in Urteilen zum Umweltschutz und die mangelhafte deutsche Rechtslage zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofes haben die Bürgerinitiative Saaletal (BI) mit dem NABU Deutschland[1] systematisch aufgearbeitet. Gemeinsam mit unserem Rechtsanwalt Peter Kremer wurden heute zwei Beschwerden bei der Europäischen Kommission eingereicht.
Die erste Beschwerde richtet sich gegen die aktuelle Rechtslage und Praxis in Deutschland, die Kläger und Beklagte in Prozessen gegen umweltschädliche Projekte ungleich behandelt und damit gegen die Grundrechtecharta der europäischen Union wie den Artikel 47 verstößt. Das meint zum einen, dass nur für die Naturschutzverbände, welche Klage gegen zerstörerische Großprojekte führen, eine 10-Wochen Frist der Klagebegründung gilt und nicht für die Beklagten und sie damit systematisch benachteiligt werden. Dafür wurden eine beachtliche Anzahl an Urteilen und Belegen dokumentiert.
Die zweite Beschwerde bezieht sich auf die europäisch geregelte Vorlagepflicht von europarechtlich relevanten Rechtsfragen beim europäischen Gerichtshof. Dies meint im konkreten Fall, dass Klagen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz die europäische Regelungen tangieren wie z.B. wenn die Genehmigung des Baus der A143 durch das untere Saaletal eigentlich gegen das Europäische Verschlechterungsverbot verstoßen, nicht allein in Deutschland geregelt werden dürften. So hätte diese Klage und viele andere dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden müssen. Statt dieses Vorgehen klar zu regeln, hat Deutschland das Verfassungsgericht als Instanz dafür eingesetzt und verbaut damit de facto eine übergeordnete, europäische Einschätzung in Streitfragen zum Umweltschutz.
Die Beschwerde adressiert unter anderem Rechtsprobleme, die sich in der Verhandlung des Bebauungsplanes der Autobahn 143 im Jahr 2018 und 2019 gezeigt haben. Konkret wurde bei diesem Teilstück der Autobahn, die durch die Naturschutz- und Fauna-Flora-Habitate (FFH) von besonderem europäischen Rang im Saaletal westlich von Halle führt, FFH-Umweltrecht ignoriert.
Wenn die Beschwerde erfolgreich ist, sollte dies hunderte weitere FFH-Gebiete in Deutschland besser schützen und Auswirkungen auf den Weiterbau der A143 haben.
NABU und BI Saaletal hoffen, dass so die Zerstörung der Naturschutzgebiete noch gestoppt werden kann.
Dr. Conrad Kunze, Sprecher der BI
E‑Mail: info@bi-saaletal.de
Tel. 0177–9037185